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Dienstag, 24. Oktober 2017

Ein Werbeclip geht in die Verlängerung



Goal II – Living the Dream

Eine Fortsetzung, die da weitermacht, wo der erste Teil aufgehört hat. Und etwas länger ist.
Der erste Goal-Film endete offen, um schonmal das Sequel anzukündigen. Weder ist klar, ob der Held mit seiner Love-Interest, einer englischen Krankenschwester (Fetisch?), zusammenkommt, noch hat er den großen Erfolg im Sport gehabt – die bloße Qualifikation für die Champions League ist doch äußerst unbefriedigend für einen Spieler wie Santi. Wir wollen doch sehen, wie er Weltfußballer wird! Also muss es jetzt mit seiner Karriere vorangehen.


Nachdem in Teil 1 bereits viele Cameo-Auftritte bekannter Premier-League-Stars zu überzeugen wussten, könnte man annehmen, dass die Fortsetzung, die bereits auf dem Poster viel Real Madrid verspricht und mit Jaume Collet-Serra über einen doch recht talentierten Regisseur verfügt, etwas interessanter sein dürfte. Jetzt wechselt Santi zu Real Madrid und macht dem in der Zwischenzeit dorthin gewechselten Gavino Konkurrenz.  Klar – abgehalfterte Spieler von Newcastle waren 2006 rum genau Real Madrids Beuteschema. Dabei bringt der Wechsel auch Probleme mit sich: Seine Freundin möchte viel lieber in einem Haus in England wohnen bleiben, das sich das verliebte Pärchen erst neu gekauft hat. Dann lernt Santi auch noch eine ihn anbaggernde TV-Moderatorin kennen. In einer nie gezeigten Szene hat Iker Casillas ihn vielleicht gewarnt, dass Journalisten als Freundin tückisch sein könnten. 

Doch damit nicht genug an Konflikten: Bereits Teil 1 war recht kitschig geraten. Der größte Brüller darunter war mit Sicherheit eine tatsächlich stattfindende Szene, in der seine liebe alte Großmutter ihm eine Kette mit Anhänger umhängt! Kann Teil 2 da was draufsetzen? Zumindest der Versuch ist da. So springt ihm ein Kind vors Auto, das sich als sein Bruder vorstellt; später trifft Santi seine verschollene Mutter wieder.

Natürlich müssen seine privaten und sportlichen Probleme ineinandergreifen, was eine recht vorhersehbare Handlungsdynamik mit sich bringt. Denn fußballerisch ist der Spieler Santi natürlich beispiellos. Wieder gibt es einiges an Fußballszenen, auch diesmal spielen die Verteidiger (selbst im Champions-League-Finale) nicht auf Profi-Niveau.  In der Regel laufen die Spiele schließlich so ab: Santi sitzt auf der Bank, es läuft schlecht. Dann wechselt der Coach Santi ein und die Mannschaft gewinnt. Startet Santi aber von Anfang an, bringt er i.d.R. Probleme mit sich. Vor seinem ersten Spiel für Newcastles B-Elf zerstörte ihm in Teil 1 ein sadistischer Kollege das Spray, Santi wird nach einem schwachen Auftritt ausgewechselt und gefeuert. Im zweiten Teil korreliert sein Startelfdebut für Real Madrid mit persönlichen Problemen, weswegen er komplett von der Rolle ist und sehr bald für eine „Notbremse“ (im Mittelfeld) eine rote Karte sieht.

Einerseits will der Film Santi in einen Teufelskreis bringen, ist andererseits dabei aber zu unentschlossen. Die Probleme des ersten Films, die vorhersehbare Story, die banalen Konflikte, die platten Figuren, die keine Identifikationsmöglichkeiten bieten, treffen nun auf eine um 20 Minuten verlängerte Laufzeit. Dramaturgisch gestrafft wird gar nichts, die ins epische gehende Erzählweise tut ihr übriges. Etwa 40 Minuten im Film gibt es eine Szenenfolge, in der alle Probleme des Films besonders anschaulich zur Geltung kommen:
Gavino gibt nach einem schlechten Spiel zu, ein schlechter Spieler zu sein. Santi fragt später den Trainer, wann er denn von Anfang an spielen dürfe. Dann eine mit Popmusik unterlegte Trainingssession, bei der Santi sich hervorragend präsentiert und sich auch jemand aus der Klubführung Einsätze für Santi wünscht. Die wird er auch gleich bekommen, nur muss vorher noch sein kleiner ihm zuvor unbekannter Bruder vors Auto laufen und ihm ein Foto seiner Mutter geben, damit Santi abgelenkt ist. Schließlich ist er als Fußballer so perfekt, dass eigenes Versagen niemals seine eigene Schuld sein darf; nein, da müssen schon externe Dinge kommen, um ihn aus dem Takt zu bringen.
Die ganze Sequenz klingt doch eigentlich ganz flüssig? Ich gebe zu, ich habe verheimlicht, dass vor der Trainingsszene noch eine folgte, in der Santis vorm Krankenhaus im Regen heulende Freundin Ross angerufen wird. Santi will ihr euphorisch mitteilen, dass er sich einen weißen Lamborghini gekauft hat, erfährt dann aber, als traurige Musik einsetzt, dass ein alter Mann, der Gavino „scheiße“ findet und Santis Karriere von dessen Anfängen an aus dem Krankenhaus mitverfolgt hat, gestorben sei. Ähnlich diffus entwickelt sich die Geschichte durchgängig. Anschlüsse an die vorherige oder folgende Szene finden inhaltlich nicht statt, obschon der Popsong, mit dem die Sequenz unterlegt ist, anderes suggeriert.

Auch die Nebenhandlung um Gavino ist wieder die an sich interessantere, die Ausgestaltung bleibt aber platt und stereotyp. Sie konkurrieren nun um den Startelfplatz. Gavino zeigt keine Leistungen und spielt trotzdem; der Druck auf den Coach, Santi spielen zu lassen, wächst. Als es soweit ist, hat dieser gerade den Kopf woanders. Schließlich verletzt er sich beim Spielen mit Gavino in der Garage, darf über Weihnachten nicht zu seiner Freundin fliegen und muss sich lange rehabilitieren. Seine Freundin vermutet, er kommt nicht heim, weil er sie hintergeht. Gavino sieht seine Chance, trainiert härter, schießt wieder Tore, aber sobald Santi wieder fit ist, verlässt ihn sein Glück. Santi bittet den Trainer, Gavino im CL-Finale gegen Arsenal spielen zu lassen, wo dieser dann gleich mal einen Elfmeter verschuldet und Real auf dem Weg zu La Décima in Bedrängnis bringt – gemeinsam und mit einem Beckham-Freistoß schaffen die Freunde es aber, sich den Titel zu sichern.

Doch diese narrativen und dramaturgischen Probleme nimmt der Film in Kauf. Auch meine Kritik, dass Gavinos Perspektive die interessantere wäre und er ruhig etwas abgründiger sein dürfte, zielt daneben. Eine Geschichte, die sich ein Zehnjähriger ausdenken könnte – und genau das soll sie sein: Ein Fußballtraum eines jeden kleinen Kickers, der im Sinne der Happy-End-Konvention hier in Erfüllung geht. Kritisiere ich jetzt, dass Santi als Projektionsfläche für diese Wünsche unzureichend ist, können die Filme auf ihre durchaus hohen Bewertungen auf der IMDb verweisen.

Am Ende des Films passiert dann aber etwas seltsames, als ein Beckham-Freistoß Real den Titel sichert. Hier wandelt sich der Film etwas, da nun nicht Santi zum Helden wird, sondern jemand anderes, eine Randfigur dieses Films (wobei natürlich Beckham als Star eine größere Bedeutung in der afilmischen Welt hat, als in der Diegese). Dabei präsentierte ja auch Teil 1 Santi als guten Freistoßschützen. Eigentlich wollten wir doch alle sehen, wie der Protagonist sich und seinem Team zum Erfolg verhilft, und nicht jemand anders. Wenn dieser Fehler hier nur ein kleiner Moment ist, wird er im dritten Teil das grundsätzliche Problem werden.


Goal II – Living the Dream (Der Traum ist real!): http://www.imdb.com/title/tt0473360/
 


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Jean

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